Der letzte Autorenfilmer: Satyajit Ray


(Auszug):


Wenn von einem "Kino der Autoren" die Rede ist, so übersieht man gern, dass sein Konzept, wie vor allem François Truffaut es Mitte der Fünfzigerjahre prägte, auf eine Neuorientierung des Kinos insgesamt zielte: es sollte wiedereingesetzt werden in seinen Platz als siebte Kunst. Demgegenüber erscheint der Autorenfilm heute als eine historische Reminiszenz, ein Markenzeichen, eine Übung für kommende Stars, vor allem aber als Kino n e b e n dem kommerziellen, ökonomisch vernachlässigbar, daher mitunter, wie gerade in Frankreich, in seiner Existenz bedroht. Ein solches "paralleles Kino" war der Autorenfilm in Indien schon immer. Dennoch gelang es vor allem Satyajit Ray, dem unabhängigen Film in Indien nicht nur den Weg zu nationaler und internationaler Anerkennung zu bereiten. Mit den über dreißig Filmen, die er zwischen 1955 und seinem Tod 1992 vollenden konnte, wurde er zu einer moralischen und künstlerischen Instanz und prägte die Erfahrungen von Generationen.

Als Satyajit Ray 1952 mit der Arbeit an seinem ersten Film "Pather Panchali" begann, verfügte er über kaum mehr als theoretische Erfahrungen mit dem Kino. Gemeinsam mit Chidananda Dasgupta hatte er in den Vierzigerjahren den ersten Filmclub in seiner Heimatstadt Kalkutta gegründet, für den er regelmäßig in einer eigens für diesen Zweck herausgegebenen Zeitschrift Filmkritiken schrieb. Auf einer Reise nach London und während des ersten Internationalen Filmfestivals, das 1952 auf Tournee durch die Metropolen der jungen Indischen Union ging, hatte Ray Filme kennen gelernt, die ebenso für ihn wie für die späteren Regisseure der französischen "Nouvelle Vague" zu Vorbildern für ein unabhängiges Kino wurden: so die Filme des italienischen Neorealismus, von denen die "Fahrraddiebe" von Vittorio de Sica und Cesare Zavattini Ray auf besondere Weise beeinflussen sollten. Wie er begannen die Regisseure der "Nouvelle Vague" als Cineasten und Kritiker, wobei sie jedoch einen großen Teil ihres Wissens über das Kino in der "Cinémateque français" in Paris sammeln konnten.
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